Hervé (eigentlich Herbert) Hofer und Frau praktizieren Ehehygiene
„Ach komm, jetzt sei doch nicht gleich beleidigt!“, brummt Herbert Hofer, der von seiner Frau „Hervé“ genannt wird, weil sie die französische Variante poetischer und eleganter findet – Herbert sei ein lähmender und furchtbar nichtssagender Name, wird sie nicht müde neuen Bekanntschaften gegenüber zu betonen. Mit einem Seitenblick auf Hannelore, die ihre Wanderstöcke energisch in den Wiesenboden rammt, der sich weich und mit dichten, langen Grasbüscheln als kaum erkennbarer Weg vor ihnen entlang schlängelt, erkennt er, dass seine Gattin gedenkt, noch ewig weiter zu schmollen, wenn er nicht bald einlenkt. Die vollen Lippen fest aufeinandergepresst, holt sie mit jedem Schritt mächtig Schwung, als ob sie ihrem Ehemann, mit dem sie auf den heutigen Tag genau dreißig Jahre verheiratet ist, davonlaufen möchte.
„Ich hab das doch nicht so gemeint!“ Herbert ruft ihr die paar Meter, die sie schon Vorsprung hat, betulich hinterher. „Natürlich nehmen wir die Einladung deiner Schwester in ihre Finca auf Mallorca an. Und lassen es uns dort gut gehen. Und feiern unsere …unsere … unsere…“
„Perlenhochzeit!“, wirft ihm Hannelore den gesuchten Begriff über die Schulter zu. Immerhin, sie spricht wieder mit ihm.
„Jetzt renn doch nicht so!“
Er hat sogar schon vorsorglich recherchiert, welche Pilze auf der Insel wachsen. Es gibt angeblich Eierschwammerl und Blutreizger, ruft er immer mehr nach Luft ringend in ihren Rücken. Als passionierter Pilze-Liebhaber, will er selbstredend nicht auf die Früchte des Waldes verzichten, hatte aber erfahren, dass die Pilzsaison auf Mallorca erst im November beginnt. Er wird sich einfach getrocknete Pilze aus seiner Vorratshaltung mitnehmen, beschließt er.
Gut, wenn Hannelore derart vorauseilt, dann kann er ja unbemerkt schnell ins Gestrüpp huschen, um sich zu erleichtern. Der morgendliche Kaffee fordert seinen Tribut. Noch im Vorwärtssuchen nach dem besten Plätzchen, öffnet er seinen Hosenstall um sein Geschäft möglichst schnell hinter sich zu bringen. Abrupt bleibt Herbert stehen. Misstrauisch betrachtet er die Stelle neben einer Buche, wo das Laub frisch durchwühlt aussieht. Er stochert mit seinem Trekkingstock darin herum und findet, dass die Erde hier seltsam nachgibt, der Stock sich aber irgendwie nicht wie im normalen Waldboden verhält. Schnell schlüpft er wieder auf den Weg zurück.
„Hannelore! Hannelore, jetzt warte doch einmal!“
Hannelore stapft stur weiter hinter Dackel Leopold her, denn es gehört zu ihrem sonntäglichen Ritual, dass sie die blaue Stunde, in der einen die Natur noch ganz still und unberührt mit diesem unbeschreiblich mystischen Licht umfängt, in ehrgeizigem Tempo den Weg zwischen Waldrand und Weinberg durchschreiten. Dieser kleine Rundweg, der hinter ihrem schmucken Einfamilienhaus vorbei über eine saftige Wiese wieder an ihre hintere Gartentür führt, ist ihr Fitnessbereich – schon seit gefühlten Ewigkeiten. Eine Konstante, die dazu geführt hat, so manchen ehelichen Disput zu beruhigen. Endorphine sind als besänftigende Wogenglätter bei emotionalen Tsunamis nicht zu unterschätzen, weiß Helenes aus mehrfacher Erfahrung. Für die Strecke braucht man gut eine Stunde hin und eine weitere zurück, da verraucht so mancher Ärger. Natürlich gibt es nicht wöchentlich ehelichen Unmut bei den Hofers, vielmehr nährt sich aber Hannelores Motivation daraus, dass ihre APP sie im Anschluss lobt und dass der Hund für den Rest des Tages schlapp aber zufrieden in seinem Körbchen liegt und sie sich entspannt ihrem geliebten Rosengarten widmen kann.
„Hannelore! So warte doch!“
Doch Hannelore will die Kalorien des heute so üppigen Hochzeitstagsfrühstücks abbauen und das gelingt sicher nicht mit Warten.
„Hannelore! Da ist etwas. Jetzt komm doch mal zurück! Herrgott noch einmal!“
Herbert weiß, dass Hannelore es nicht ausstehen kann, wenn er den Herrgott zum Fluchen missbraucht und grinst, als er sieht, wie seine Frau sich unwillig umdreht, die Augenbrauen bis zum Anschlag hochgezogen.
„Mach einfach ein Foto und zeig es mir zuhause“, ruft sie ihm zu und will schon weitergehen.
„Leopold, komm! Komm bei Fuß“, wendet er den nächsten Trick an und schon zieht der kleine Vierbeiner sein sich wehrendes Frauchen in die gewünschte Richtung. Kaum bei Herbert angekommen, beginnt der kleine Dackel temperamentvoll zu bellen, weil er ein Leckerli für sein schnelles Folgen will.
„Was ist denn nun?“, will Hannelore wissen. „Wo ist er denn nun, dein seltener Pilz?“
„Kein Pilz!“
Herbert taucht wieder ins Gestrüpp ein, Leopold und Hannelore folgen ihm. Er sticht mit seinem Wanderstock auf den Boden ein, genau da, wo auch schon der Hund vehement mit den Vorderbeinen das Erdreich abzutragen beginnt.
„Das fühlt sich ganz komisch an, da ist etwas, ich weiß nicht was … aber so ... So fühlt sich kein Waldboden an. Und das Laub lag ganz frisch aufgeschüttet da.“ Besorgt schüttelt Herbert den Kopf.
Hannelore stößt entsetzt Luft aus. Dackel Leopold hat eine menschliche Hand und ein Bein freigelegt - er bellt Beifall heischend.
„Aus, Leopold. Aus!“ Herbert ist blass geworden, beherzt nähert er sich dem vor ihm liegenden Mann, prüft ob dieser denn noch lebt und zieht erschrocken die Hand zurück.
„Der fühlt sich ganz kalt an“, erklärt er und legt den Arm um Hannelores Schultern, als ob er dadurch ihren und auch gleich seinen eigenen Schock abmildern könnte. Leopold gräbt munter weiter, hat aber zu bellen aufgehört. Nach und nach gelingt es dem Hund mehr von der Leiche freizulegen.
„Um Himmels Willen, pfeifen Sie sofort Ihren Hund zurück. Was ist denn hier passiert?“, meldet sich eine männliche Stimme hinter Herbert und Hannelore.
„Ja, Herr Zimmermann! Was machen denn Sie um diese Uhrzeit …“, ist Hannelore ungehalten, den Wald nicht für sich alleine zu haben, um sich dann aber doch wieder des, vor ihr liegenden, Problems zu entsinnen.
„Keine Ahnung, auf einmal hat der Hund angeschlagen und …“, versucht Herbert eine Erklärung.
„Der Hund? War er denn nicht angeleint?“
„Doch aber mit Flexi-Auszug. Wir konnten doch nicht ahnen, was uns hier erwartet“, rechtfertigt sich Hannelore empört.
„Sie müssen die Polizei rufen!“, ermuntert der Nachbar, der sich suchend nach seiner Familie umsieht, die in einiger Entfernung auf ihn wartet. Er deutet, dass sie weitergehen sollen, er will ihnen den Anblick eines Toten ersparen. Hannelore nimmt Leopold an die kurze Leine.
„Sitz und aus!“, herrscht sie den aufgeregten Dackel an, dessen Stimme sich vor Aufregung überschlägt.
„Die Polizei, ja!“ Herbert klopft seine Taschen auf der Suche nach seinem Mobiltelefon ab. Herr Zimmermann ist schneller und wählt schon den Notruf.
***
Marc Klingenberg und Andrea Maier in postamourösen Verwicklungen
Wutentbrannt eilt Marc Klingenberg in seine kleine Werkstatt neben der Garage, reißt die Motorsäge aus dem Regal und prüft ihre Funktionstüchtigkeit. Die Säge jault auf.
„Geht ja“, schreit er und stürmt mit ihr zurück ins Wohnzimmer des gerade erst fertig gewordenen klimaneutralen Passivhauses, vorbei an seiner kopfschüttelnden Noch-Ehefrau, die gerade dabei ist, Bücher aus dem überfüllten Bücherregal in einen großen Karton zu räumen. Marc wischt die restlichen Bücher aus dem Regal, startet die Säge neu und setzt sie am obersten Regalbrett an. Links und rechts kracht das Holz donnernd zu Boden.
„Stopp. Bist du verrückt geworden?“ Andrea hält sich die Ohren zu und schreit ihn an. Mit einem entschlossenen Griff holt sie sich die Taschenlampe, die für solche Fälle in der obersten Schublade der kleinen Kommode bereit liegt. Andrea hat eine orange Folie über die Lampe gestülpt, das internationale Zeichen zum „Stopp gegen Gewalt an Frauen“. Sie sind nach einem von Marcs Ausrastern auf die Idee gekommen, diese Lampe als Signal zu nutzen, wenn es Andrea zu viel wird. Doch Marc ist derart in Rage, dass er nichts rund um sich wahrnimmt. Wie ein Berserker macht er sich an der Kommode, am Ohrensessel und am Couchtisch zu schaffen. Entschlossen steht er vor dem gerade erst gekauften Ledersofa einer italienischen Edelmarke, als Andrea sich ihm in den Weg stellt und ihn mit dem orangen Licht anstrahlt.
„Nicht das Sofa! Nur über meine Leiche!“
„Schleich dich“, knurrt Marc, „du hast vor Gericht beim Beratungsgespräch gesagt, dass wir unser eheliches Vermögen peinlichst genau aufteilen. Dass du dich nicht an deinem Exmann bereichern willst, wie es angeblich so viele Frauen machen.“
„Nein!“ Andrea weicht nicht von der Stelle, hält die Lampe wie ein Schutzschild gegen Marc gerichtet.
„Sei nicht kindisch. Geh weg da. Ich teile nur unser Vermögen.“
„Würdest du, wenn wir Kinder hätten, die Kinder auch entzwei sägen?“
„Verschwinde! Geh in dein Scheiß-Salben-und-Cremen-Studio!“ schreit Marc und macht einen Schritt auf Andrea zu. Er hat sie geliebt, über allen Maßen geliebt. Und sie? Sie hatte nichts Besseres zu tun, als sich hinter seinem Rücken ein eigenes Kosmetikstudio aufzubauen. Warum? Er hätte doch nichts dagegen gehabt! Aber heimlich? Das war ein Foul der Extraklasse!
„Das Studio gehört mir allein. Das ist mein Baby! Davon siehst du keine Pinzette, das schwör ich dir, du … du Psychopath.“
„Dein blöder Beauty-Schnick-Schnack interessiert mich sowieso nicht. Aber eines sag ich dir: Glücklich wirst du damit nicht werden.“
Andrea kennt Marc gut genug, um zu merken, dass sein überbordender Zorn nun schon einigermaßen verraucht ist. Sie weiß, dass er sich gleich erschöpft aufs Sofa fläzen und ihm sein Benehmen leid tun wird. Genau das war auch der Grund, warum sie so lange geblieben ist, aber auch warum sie jetzt die Scheidung will. Es ist genug. Er ist ihr zu anstrengend, zu maßlos, zu unberechenbar. Und ewig dieser Gestank nach kaltem Zigarettenrauch. Sie hasst ihn. Wo Marc ist, ist auch dieser Geruch. Andrea hastet auf die Toilette und übergibt sich. Die Aufregung, die Angst und der Ekel äußern sich in letzter Zeit immer häufiger in dieser Art. Eine Trennung scheint ihr die letzte Möglichkeit zu sein, wieder in ein normales Leben zu finden.
Marc lässt noch einmal provokant die Motorsäge aufheulen, bevor er sie abwürgt. Erschöpft lässt er sich in einen Sofasessel fallen, die Motorsäge legt er sich wie ein braves Schoßhündchen über die Knie. Sein emotionaler Ausbruch nach Andreas Bemerkung, dass sie nicht bereit sei, ihm das Miró-Bild zu überlassen, hat seinen Zorn über die Situation quasi explodieren lassen. Plötzlich waren Miró und Motorsäge in seinen Gedanken eins geworden und schon war er in dieser verzweifelten Situation nicht mehr Herr seiner Gefühle gewesen. Er versteht nicht, wieso er sich einfach nicht im Griff hat, wenn es um Andrea geht. Sein Blick fällt auf den am Boden liegenden Miró im zersplitterten Rahmen. Sie haben das Bild auf ihrer ersten Parisreise am Montmartre erstanden. Es stammt von einem Straßenmaler, ist also am Kunstmarkt wahrscheinlich nicht viel wert und schon gar kein echter Miró sondern eine Kopie – aber trotzdem ist das Gemälde ein Original. Er liebt dieses Bild. Es steht für den Anfang – den Anfang ihrer Beziehung, die ersten Schritte dieses jungen Malers, den Beginn jener Zeit, als er sich das erste Mal vorstellen hat können, mit einer Frau den Rest seines Lebens verbringen zu wollen.
Er will keine Scheidung!
Er liebt seine Frau. Sein Leben. Marc versteht nicht, warum nicht alles bleiben kann, wie es ist. Sie haben sich gemeinsam ein Haus gebaut, Schulden gemacht und nun wäre es an der Zeit gewesen daran zu denken, ein Kind zu bekommen. Aber nein. Andrea will weg - von allem, aber vor allem von ihm. Weil er so aufbrausend ist. Ja, Himmel noch einmal: das wusste sie doch vom ersten Augenblick des Kennenlernens an. Genau so waren sie sich doch begegnet! Mit diesem Auftritt hatte er sie doch damals im Lokal vor den Belästigungen eines aufdringlichen Verehrers gerettet. Er war diesem Möchtegernhippie mit langen Haaren und roter Hose gleich mächtig auf seinen imaginären Schlips getreten. Andrea hatte gar nicht mehr aufhören können zu lachen, weil sie das so witzig gefunden hatte. Und jetzt? Jetzt war plötzlich alles nichts mehr wert – seine Kraft nicht, seine Männlichkeit samt Testosteron nicht, sein Selbstbewusstsein nicht. Er macht ihr Angst, das hat sie gesagt.
Was war bloß mit ihnen geschehen??
Plötzlich steht Andrea vor ihm, sie schaut mitgenommen aus. Sie tut ihm leid – alles tut ihm leid. Er sich selbst am allermeisten.
„Muss ich deine Kolleginnen holen, oder kann man wieder gesittet mit dir kommunizieren?“, keucht Andrea und wischt sich über den Mund.
Kolleginnen. Die Mehrzahl seiner Kollegen ist männlich, aber Andrea behauptet konsequent, dass man gerade in männlich dominierten Berufen die Frauen erst recht, zumindest in der Sprache, sichtbar machen muss. Lächelnd schüttelt Marc den Kopf und wünscht sich nichts sehnlicher, als seine Frau in die Arme zu nehmen. Aber ein Blick auf sie zeigt ihm sofort, dass die Situation ihm das verbietet. Schade.
***
Maja Moro, David Schaller und die Müllentsorgung
„Bist du narrisch, bin ich fertig“, heftig ausatmend lässt sich Maja Moro auf die harte Bierbank plumpsen, sodass es den jungen Mann, der schon vor ihr hier saß beinahe ein wenig in die Höhe hebt. Genüsslich schiebt sie sich ein Stück Currywurst in den Mund und wischt sich mit dem Handrücken ein paar Schweißperlen von der Stirn.
„David Schaller“, streckt ihr der Mann wohlerzogen seine Hand hin.
„Ich bin die Maja“, nickt sie ihm kauend zu und bleibt an seinen strahlend grünen Augen hängen.
Nordischer Typ, festes blondes Haar, drahtige Figur - fesch, denkt sie sich, sympathisch. Er lächelt nicht nur mit dem Mund, sondern auch mit den Augen. Noch bevor er etwas sagen kann, schluckt sie schnell die Wurst hinunter und bestätigt ungefragt: „Ja, genau. Wie die Biene Maja. Und ja, ich bin auch fleißig. Und nein, ich habe keinen Willi an meiner Seite.“
„Gut, dass wir das gleich geklärt haben“, lacht David und bedauert, dass er scheinbar so leicht zu durchschauen war und sie ihm gleich den Wind aus den Segeln genommen hatte. Aber, so leicht war er dann doch nicht zu entmutigen.
„Tja, ich heiße zwar David und bin keine Schöpfung von Michelangelo – somit nicht so perfekt, aber dafür aus Fleisch und Blut!“
„Das hast du dir aber nicht gerade eben erst ausgedacht, oder? Wie oft hast du diesen Spruch schon landen lassen?“ Auch wenn es nicht so klingt, Maja ist beeindruckt. Einerseits, weil sich dieser Mister Fesch nicht gleich einschüchtern hat lassen und zweitens, weil ihr der gerade angezweifelte Spruch durchaus gefällt. Und drittens, ist ihr tatsächlich ein Mann aus Fleisch und Blut lieber als eine kalte Marmorstatue, die auch noch wer weiß wo steht und von jederfrau betatscht werden kann. David hält drei Finger ans Herz und beteuert, dass Maja ihn zu diesem Spruch inspiriert habe und er sich dafür gerne mit einem Kaffee revanchieren wolle, gerne auch in Florenz.
„Wie bitte?“ Maja will Zeit gewinnen, schaut ihn misstrauisch an und steckt sich ein weiteres Stück Currywurst in den Mund. Der glaubt doch wohl nicht im Ernst, dass sie mit ihm nach Florenz auf einen Kaffee fahren würde? Das weiß doch jede, was eine solche Einladung nach sich zieht. Es reicht ja schon, wenn sie sich hier in dieser heimeligen kleinen Stadt verabreden und das Treffen womöglich floppt. Da kann sie sich aber wenigstens unter einer halbwegs einleuchtenden Ausrede aus dem Staub machen, sollte er sie langweilen oder nerven. Obwohl. Er schaut schon nett aus. Sehr nett sogar. Dieses nett stellt sie in Gedanken unter ganz fette Anführungszeichen und hofft inständig, dass er keine Frau oder Freundin hat!
Erwartungsvoll schaut David sie an und lacht dann.
„Es ist dir zu gewagt, ja?“
Maja nickt und ist froh, dass er gleich selbst erkannt hat, dass er übers Ziel hinausgeschossen war.
„Außerdem kenn ich deinen Beziehungsstatus überhaupt nicht“, platzt sie ungeschickt heraus.
„Holla!“, reagiert David überrascht. „Wäre ich in irgendeiner unglückseligen Weise verbandelt würdest du mich wohl sofort und auf der Stelle in den Wind schießen und mich überhaupt nicht kennenlernen wollen?“
„Exakt“, bestätigt Maja und fühlt die Röte in die Wangen steigen, ein lästiges und verräterisches Zeichen ihrer Unsicherheit.
David versichert mit treuherzigem Blick ein Ehrenmann vom Scheitel bis zur Sohle zu sein und zudem vogelfrei - was Maja dazu veranlasst, ein „Halleluja“ als Stoßgebet auszusprechen.
„Na, ihr beiden? Das war heute ein äußerst erfolgreicher Tag, würde ich sagen“, löst Uwe Seitner die Spannung zwischen den beiden auf, indem er ihnen einen Korb mit verschiedenen Schoko- und Müsliriegeln hinhält. „Cooles T-Shirt“, meint er zu Maja. „Artgerechte Müllhaltung als T-Shirt-Aufdruck find ich ziemlich passend für unsere Aufgabe heute!“, bekräftigt er. „Insgesamt haben wir heute fünf LKW-Ladungen Müll aus dem Wald geholt. Das ist einsamer Rekord“, führt er weiter aus, während sich Maja die drei letzten Marzipanriegel schnappt und die 80prozentige Schokolade links liegen lässt – nicht ihr Geschmack.
„Wir waren diesmal sicher an die achtzig Leute. Fast alle aus dem Polizeidienst. Nur der Herr Oberst Klingenberg hat durch Abwesenheit geglänzt. Ausgerechnet er, der das alles angezettelt hat“, nachdenklich nickt Uwe. Nachhaltig.
David grinst und flüstert Maja zu: “Wie der Wackeldackel in Oma Hertas Auto.“ Maja lacht, kommt sich dabei aber ein bisschen schäbig vor.
„Dann lass ich euch zwei Turteltäubchen mal lieber alleine, ich merke schon, ich störe, wie?“ Damit gibt er David noch einen Nussriegel – frischverliebte Männer brauchen schließlich Proteine – bevor er von dannen zieht.
„Eher schlicht, der Typ“, meint Maja.
„Aber sehr patent. Was der anpackt, gelingt. Total verlässlich. Ich kenn ihn schon von der Polizeischule“, erklärt David. „Als ich in den kriminaltechnischen Dienst gegangen bin, haben wir uns aus den Augen verloren. Im Aufruf zur Müllsammelaktion am Berg habe ich dann gelesen, dass er das organisiert und so hab ich mich dann gleich gemeldet.“
„Das klingt wieder ganz nach Klingenberg – er zettelt an und die Arbeit machen die anderen! Ich bin auch bei der Polizei“, meint Maja, „Seit kurzem im Kriminaldienst an der Seite von Marc Klingenberg. Vielleicht kennst du ihn?“
„Klar! Um den alten Stinkstiefel als Chef bist du nicht zu beneiden, was?“
„Er ist ein eher rauer Typ, ja. Aber mir ist lieber, wenn einer ehrlich und gerade heraus sagt was er meint und wenn ihm etwas nicht passt, als einer der nur hintenherum ausrichten lässt, was Sache ist. Ich werde mich schon an seinen Ton gewöhnen“, ist Maja zuversichtlich, denn ihr freundliches Wesen hatte noch immer – und selbst die schwierigsten – Menschen für sie eingenommen.
„Daran gewöhnen? Ich weiß nicht recht. Das wünsch ich dir gar nicht. Wenn du dich irgendwann vielleicht doch lieber versetzen lassen willst, lass es mich wissen, als Kriminaltechniker habe ich mit vielen Abteilungen Kontakt. Aber zuerst gehst du mit mir auf einen…“
„Cocktail! Dazu würde ich mich glatt überreden lassen!“
Mitten in ihr Geplänkel meldet sich Majas Mobiltelefon. Mit einem Seufzen schaut sie auf das Display.
„Die Zentrale. Da muss ich wohl rangehen, auch wenn ich meinen freien Tag habe.“
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